16.11.2022 | "Die Fürsorge bei der Personalführung ist elementar für die 'Neue Arbeit'"

BAP-Präsident Sebastian Lazay begrüßte die Teilnehmenden in Hamburg. | © BAP, Foto: Thomas Panzau

"Der derzeitige Zustand der Welt und die Rahmenbedingungen für jegliches Handeln sind derzeit alles andere als erfreulich. Harte Belastungen treffen dabei nicht nur die Wirtschaft in unserem Land, sondern jeden einzelnen Menschen. Auch für unsere Branche ist die aktuelle Lage äußerst volatil. Niemals zuvor in der jüngeren Geschichte Deutschlands mussten derartig viele, jede für sich schon höchst komplexe, Herausforderungen zeitgleich bewältigt werden", betonte BAP-Präsident Sebastian Lazay in seiner Eröffnungsrede der Fachkonferenz "ARBEIT & PERSONAL" in Hamburg. So sei die Corona-Pandemie mit all ihren Begleiterscheinungen auch im dritten Jahr weiterhin nicht überwunden. Gleichzeitig würden die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs mit Blick auf die Inflation und die Energiekrise immer dramatischer. Und noch ein weiteres Thema gebe Anlass zu Besorgnis: "Der gewaltige Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel in Deutschland ist auch für uns Personaldienstleister eine immer größere Herausforderung, aber gleichzeitig auch eine Chance. Er wird uns mit Sicherheit selbst dann noch intensiv beschäftigen, wenn wir die Pandemie und den Krieg hoffentlich hinter uns gelassen haben", so Lazay.  

Dabei zeichne sich auch die zweite Ausgabe der "ARBEIT & PERSONAL" im neuen Format dadurch aus, dass es ein spannendes Nebeneinander von impulsgebenden Keynotes und interaktiven BarCamp-Sessions biete. Bei letzteren könne das Publikum bestimmen, welche Themen diskutiert und vertieft werden sollten. "Und nachdem das Konzept bei der Premiere in Köln auf hervorragende Resonanz gestoßen ist, setzen wir es hier in Hamburg gerne fort", bekräftigte Lazay.

"Globalisierung und Digitalisierung erfordern ein neues Verständnis von Arbeit"

Christiane Brandes-Visbeck sprach in ihrer Keynote über "Neue Arbeit". | © BAP, Foto: Thomas Panzau

"Die Bedürfnisse der Generation Z passen oftmals nicht in das klassische Konzept von Arbeit, denn für sie sind die flexible Gestaltung des Arbeitsalltags und eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben unverzichtbar. Erforderlich ist daher eine 'Neue Arbeit', die sich durch geänderte Arbeitsbedingungen, innovative Lösungsansätze und intensive Kommunikation auszeichnet. Elementar ist dabei eine ausgeprägte Fürsorge der Führungskräfte für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um ein optimales Miteinander zu ermöglichen. Die Chefs müssen also mehr denn je dafür sorgen, dass es ihren Beschäftigten gut geht". Klartext von Christiane Brandes-Visbeck, Expertin für Digital Leadership/New Work und geschäftsführende Gesellschafterin der Beratungsagentur Ahoi Innovations, in ihrer impulsgebenden Keynote "Unsere Arbeitswelt gestalten: Mit Sinn. Für Menschen. Und Profit". Denn zur nachhaltigen Änderung von Arbeitsbedingungen sei es unerlässlich, dass die Menschen dabei mitgenommen werden. Forciert werde das neue Verständnis für Arbeit "durch die Globalisierung und die Digitalisierung. Die zentralen Werte dieser künftigen Arbeitswelt sind Selbstwirksamkeit, Flexibilität und Teilhabe an der Gemeinschaft". Auch die Rolle der Führungskräfte in der Arbeitswelt von morgen werde sich nachhaltig ändern, machte Brandes-Visbeck deutlich. Denn sie würden sich in zunehmendem Maße vom Allwissenden zum Immerlernenden entwickeln. Diese "Komplexität zu meistern, ist eine zentrale Herausforderung für Führungskräfte im Zeitalter des 'neuen Arbeitens'."

"Das Verfahren beim EuGH zum Gesamtschutz von Beschäftigten in der Zeitarbeit hat Sprengkraft"

Die Doppelspitze der BAP-Rechtsabteilung, Christiane Brose und Alexander Schalimow, informierten über aktuelle Rechtsthemen, die die Branche betreffen. © BAP, Foto: Thomas Panzau

Einen praxisnahen Überblick über zeitarbeitsrelevante Rechtsthemen, welche die Branche derzeit bewegen, boten anschließend Christiane Brose und Alexander Schalimow, die Leiter der BAP-Rechtsabteilung und Mitglieder der Geschäftsleitung. Zunächst erläuterte Brose einen zentralen Bestandteil des jüngsten Tarifabschlusses für die Zeitarbeitsbranche vom 22. Juni 2022. Denn er umfasst neben der Erhöhung der Tarifentgelte in den untersten drei Entgeltgruppen auch eine wesentliche Neuregelung im BAP-Manteltarifvertrag. Demnach könne "in begründeten Einzelfällen im Arbeitsvertrag eine längere individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit vereinbart werden, wenn der Beschäftigte ganz überwiegend in Kundenbetrieben mit einer längeren betrieblich geltenden individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eingesetzt wird", erläuterte Brose. Wichtig sei dabei aber zu beachten, dass diese Regelung mit jeder Mitarbeiterin bzw. jedem Mitarbeiter individuell im Arbeitsvertrag geregelt werden müsse. Es kann "nicht pauschal für alle Beschäftigten bei einem Personaldienstleister angeordnet werden." Nachfolgend erläuterte Schalimow ein derzeit beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängiges Verfahren zum Gesamtschutz von Beschäftigten in der Zeitarbeit, das "Sprengkraft hat, denn es könnte das Modell der Branche in Deutschland in Frage stellen". Entscheidend sei dabei die Klärung der Frage, ob das deutsche System der Arbeitnehmerüberlassung den Gesamtschutz der Zeitarbeitnehmer gemäß der entsprechenden EU-Richtlinie wahrt. Bisher liegt hierzu erst eine Empfehlung des Generalanwalts beim EuGH vor, doch möglicherweise kann noch in diesem Jahr mit dem Urteil gerechnet werden.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Arbeitszeiterfassung, das in vergangenen Wochen für erheblichen Gesprächsstoff sorgte, beleuchtete Brose. Demnach sei jeder Arbeitgeber verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Beschäftigten geleistete Arbeitszeit erfasst werden könne. Zwar läge die Urteilsbegründung derzeit noch nicht vor, doch sei abzusehen, dass es "für die Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer nur wenig Auswirkungen haben wird. Denn diese unterliegen bereits heute umfassenden Aufzeichnungspflichten ihrer tatsächlichen Arbeitszeiten. Weitreichende Änderungen kann es durch das Urteil hingegen für das interne Personal geben". Hier sei eine erhebliche Einschränkung flexibler Arbeitszeitmodelle durchaus erwartbar. Abschließend ging Schalimow auf ein Urteil des BAG vom 14. September 2022 ein, welches "erfreulich für unsere Branche war. Denn es sieht vor, dass in einem Tarifvertrag der Einsatzbranche eine von der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten abweichende Höchstüberlassungsdauer vereinbart werden kann." Diese Regelung gelte dabei für sämtliche an den Kunden überlassene Zeitarbeitnehmer und sei unabhängig von weiteren Faktoren, wie beispielsweise einer etwaigen Gewerkschaftszugehörigkeit der Beschäftigten.

Intensive Diskussionsrunden in den BarCamp-Sessions

In den BarCamp-Sessions diskutierten die Teilnehmenden ihre selbstgewählten Themen. | © BAP, Foto: Thomas Panzau

Gleich sechs unterschiedliche Themen, welche die Gäste besonders beschäftigen, legten diese dann unter der Leitung von Moderatorin Ines Dauth für die anschließenden BarCamp-Sessions fest. Zunächst wurde sich intensiv in offenen Gesprächsrunden über die Chancen und Risiken bei der Weiterbildung von internem und externem Personal durch Zeitarbeitsunternehmen sowie die Rechtskonformität der digitalen Signatur in Arbeitsverträgen ausgetauscht. Eine weitere BarCamp-Session widmete sich zeitgleich der "Candidate Journey", wobei ein Fokus darauf lag, wie und wo potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten angesprochen werden sollten. Die Kernthemen der anschließenden Sessions waren das bereits im Rahmen des juristischen Fachvortrags thematisierte BAG-Urteil zur Arbeitszeiterfassung und mögliche Konsequenzen daraus, die mögliche Konformität von Abrufverträgen mit dem BAP-Tarifwerk sowie eine Vertiefung ihrer vormittäglichen Keynote zum "Neuen Arbeiten" durch Christiane Brandes-Visbeck. Hier lag der Schwerpunkt auf einem offenen und ehrlichen Meinungs- und Erfahrungsaustausch zwischen den zahlreich anwesenden PDK-Auszubildenden und Unternehmerinnen und Unternehmern der Branche: Welche Art von Feedback wird gewünscht, welche unterschiedlichen Ansprüche an Arbeitsleistung und Fürsorge sind vorhanden, wie kann eine bessere Verständigung zwischen der sog. "Gen Z" und den älteren Generationen im Arbeitskontext gelingen, etc.? Das Fazit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum BarCamp-Format war durchweg positiv: Gelobt wurde besonders das Netzwerken mit echtem Mehrwert durch wichtige Denkanstöße, unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen sowie neue Kontakte und ausreichend Zeit für Austausch und Gespräche.

Nach den erfolgreichen Personaldienstleister-Konferenzen "ARBEIT & PERSONAL" in Köln und in Hamburg sind für 2023 weitere Ausgaben vorgesehen. Informationen über die Termine und das Programm folgen zu gegebener Zeit auf den bekannten BAP-Kanälen.

Impressionen

  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau
  • © BAP, Foto: Thomas Panzau