
„Entwicklungschancen der Zeitarbeit im Licht ihrer politischen und konjunkturellen Rahmenbedingungen“ lautete der Titel der Podiumsdiskussion des Ausschusses „Zukunftsvertrag Zeitarbeit“ des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP). Auf dem Podium in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt beim Bund in Berlin saßen am 18. April Abgeordnete aus vier Parteien: so Josip Juratovic von der SPD, Gitta Connemann von der CDU/CSU, Johannes Vogel von der FDP und Beate Müller-Gemmeke von Bündnis 90/ Die Grünen. Darüber hinaus diskutierten Holger Schäfer vom IW-Institut und Ingrid Hofmann, die Vizepräsidentin des BAP, unter der Moderation von Dr. Dorothea Siems, Chefkorrespondentin für Wirtschaftspolitik der WELT, zum Thema.
Andreas Dinges, Vorsitzender des BAP-Ausschusses „Zukunftsvertrag Zeitarbeit“ begrüßte die Gäste in der Landesvertretung, betonte die Bedeutung von Zeitarbeit für die Wirtschaft und deren Beiträge für den Arbeitsmarkt, wie die Integration von Frauen, Qualifizierung, Weiterbildung, Ausbildung und das Schaffen von Perspektiven für Arbeitnehmer mit geringer oder keiner Berufserfahrung. Daher sei die Unterstützung aus der Politik wünschenswert und Diskussionen wichtig, die zur Versachlichung der Debatte zum Thema Zeitarbeit, auch im beginnenden Wahlkampf, beitrügen.
Dr. Michael Kvasnicka vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung hielt das Impulsreferat. Er sprach über die faktischen Lohnzuwächse in der Zeitarbeit, die Entwicklungschancen, einerseits aus politischer, andererseits aus konjunktureller Sicht. Er lieferte Zahlen und Fakten sowie zusammenfassende Inhalte aus den aktuellen Wahlprogrammen der politischen Parteien und sagte dazu: „Man muss potenzielle Zielkonflikte berücksichtigen“, dürfe den originären Zweck der Zeitarbeit, die Pufferfunktion und Integration von Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt, keinesfalls gefährden. Einige Inhalte aus Wahlprogrammen würden dies tun, andere jedoch nicht. Die aktuelle Zahl der Zeitarbeitnehmer liege bei 774.000 Beschäftigten. Aktuell gehe eine Mehrheit der Unternehmen von einer negativen Beschäftigungsentwicklung aus. Die aktuellste Zahl von Dr. Kvasnicka war vier Stunden alt: Am Donnerstag, 11 Uhr, gaben verschiedene Wirtschaftsinstitute bezüglich der konjunkturellen Entwicklung in Deutschland eine Gemeinschaftsdiagnose des BIP-Wachstums ab. So liege der prognostizierte BIP-Wert für das Jahr 2013 bei 0,8 Prozent.
Johannes Vogel sagte: „Wir, die FDP, haben einen umfangreichen Wahlprogrammentwurf. Ich kenne als Mitglied der Programmkommission keine Änderungswünsche zum Teil Zeitarbeit.“ Zeitarbeit sei ein wichtiger und erfolgreicher Baustein im deutschen Arbeitsmarkt. „Wir Liberalen sehen keinen weiteren Veränderungsbedarf.“ Vogel betonte, er wolle Zeitarbeit nicht nach dem französischen Agentur-Modell, sondern setze weiterhin auf das deutsche Arbeitgebermodell, das als eigenständige Branche viele Vorteile habe.
Der SPD-Abgeordnete Josip Juratovic betonte, dass die Zeitarbeit ursprünglich angedacht war, um als Brückenfunktion zur Vollbeschäftigung zu dienen. Die Industrie mache jedoch Mischkalkulationen, um Kosten allgemein zu senken. Sie umgehe das eigentliche Ziel und den Zweck von Zeitarbeit. Zeitarbeitsfirmen haben damit jedoch nichts zu tun, so das Mitglied des deutschen Bundestages. Man könne auf Zeitarbeit nicht verzichten, müsse jedoch aus politisch-gesellschaftlicher Verantwortung heraus neue Regeln aufstellen, damit Unternehmen nicht Missbrauch betreiben können. Zum Thema Equal Pay sagte Juratovic: Nach drei bis fünf Monaten sei die Einarbeitungsphase eines Zeitarbeitnehmers abgeschlossen, dann müsse auch Equal Pay gelten.
Beate Müller-Gemmeke von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen betonte, dass es um Nutzung gehe. Flexibilität war die ursprüngliche Zielsetzung der Zeitarbeit. Mittlerweile sei es jedoch so, dass Zeitarbeit billiger sei als die Löhne der Stammbelegschaften. Sie wünsche sich zwar Zeitarbeit als Flexibilitätsinstrument, auch die Arbeitnehmerüberlassung sei wichtig, die Löhne jedoch sollen nicht geringer sein. Und: „Wir sagen Equal Pay ab dem ersten Tag“.
Gitta Connemann stellte die Position der CDU/CSU vor. „Zunächst sehen wir einmal mit großer Anerkennung, welchen großen Weg die Zeitarbeit gegangen ist. Wir als Union betrachten die Zeitarbeit nicht als Brücke zur Vollbeschäftigung, denn die Zeitarbeit selbst ist eine komplette reguläre Beschäftigung.(…) Ich habe manchmal den Eindruck, dass niemand realisieren will, dass ein Arbeitnehmer, der bei einem Zeitarbeitunternehmen tätig ist, ein vollwertiger Arbeitnehmer ist, der genau dieselben Rechte und Pflichten hat, wie ein Arbeitnehmer, der gegebenenfalls bei einem Einsatzbetrieb tätig ist. Und darauf finde ich, muss man immer und immer wieder hinweisen, denn es ist ein Stück Verdummung bei einer Branche, die es nicht verdient hat.“ Als Union haben wir immer gesagt, Missstände müssen abgestellt werden.“ Die Zeitarbeit habe in hervorragender Weise ihre Hausaufgaben gemacht. Schuld am schlechten Image sei auch die Politik selbst. Man solle mit mehr Sachlichkeit und mit weniger ideologischem Schaum vor dem Mund sehen, was die Zeitarbeit leistet.
Ingrid Hofmann, die Vizepräsidentin des BAP: "Als Unternehmer sind wir es durchaus gewohnt, mit sich ändernden politischen Situationen umzugehen. Doch es bereitet mir Angst, wenn ich die unterschiedlichen Positionen höre. Auch, wenn man uns glauben lassen möchte, dass Deutschland scheinbar ein Volk aus Zeitarbeitskräften ist. Die Tatsachen sind andere. Wir bewegen uns im Rahmen zwischen zwei und 2,5 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse. Ich mag nicht akzeptieren, dass die Zeitarbeit verstärkt als Sündenbock herhalten muss. Schlecker, Amazon, das sind keine Themen der Zeitarbeit, das sind Themen von Unternehmen, deren Verhalten in Deutschland per se umstritten ist.“ Es sei unfair, diese Themen immer auf die Zeitarbeit zu münzen. Hofmann mahnt die Politiker: "Je teurer die Zeitarbeit wird, umso schwieriger wird es, dass wir gering Qualifizierte integrieren können."
Holger Schäfer vom IW-Institut erläuterte, dass man bei Lohnvergleichen berücksichtigen müsse, das die Beschäftigungsstruktur in der Zeitarbeit eine ganz andere als in der Gesamtwirtschaft sei. Der Hilfsarbeiteranteil von 30 Prozent führe dazu, dass es auch ein niedrigeres Lohnniveau gibt. Man müsse, um zu vergleichen, alle lohnrelevanten Bestandteile vergleichen.
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