
Der größte Megatrend, den er beobachte, sei der Retrotrend, sagte Zukunftsforscher Matthias Horx am Donnerstag 30. August beim BAP. „Die meisten wollen, dass alles so bleibt, wie es ist.“ Aber der Wandel am Arbeitsmarkt lasse sich nicht aufhalten. Darauf müssten sich alle einstellen, auch die Zeitarbeitsbranche, betonte der Trendforscher. Er sprach bei der regionalen Veranstaltungsreihe der Branchenkampagne „Die Zeitarbeit: Einstieg. Aufstieg. Wachstum.“ – diesmal in Dresden.
Der Abend im Lingner-Saal der IHK Dresden stand unter der Überschrift: „Standort Sachsen: Wie profitieren Unternehmen, Gesellschaft und Arbeitsmarkt vom Wirtschaftsfaktor Zeitarbeit?“ Die beiden Gastgeber, der IHK-Präsident der Elbmetropole, Dr. Günter Bruntsch, und Uwe Schickor, BAP-Regionalsprecher Mitte-Ost sowie Geschäftsführer der „Uwe Schickor Personaldienstleistungen“, hatten die 160 Gäste des BAP in ihren jeweiligen Begrüßungsworten auf eine interessante Veranstaltung eingestimmt.
Und sie sollten Recht behalten.
Matthias Horx wies in seiner Präsentation daraufhin, dass der Beschäftigungssektor bereits im Begriff sei, aufzuweichen. Und er sagte voraus, dass sich diese Entwicklung verstärken werde: „Künftig werden die Menschen in ihrem Leben drei, vier Berufe ausüben.“ Die Zeiten, in denen man von der Lehre bis zur Rente in ein und demselben Unternehmen arbeite, gingen endgültig zu Ende.
Umgekehrt sei dies aber auch eine Herausforderung für Arbeitgeber und damit für Personaldienstleister. Denn der Anteil der wissensintensiven Arbeiten steige. Der 57-Jährige prognostizierte eine wachsende Nachfrage nach hochqualifizierten Beschäftigten. Die Branche werde sich hierauf einstellen müssen. Horx sprach von dem Megatrend „New Work“. Zur Erläuterung wählte er in seiner Präsentation den Vergleich mit einem U-Bahn-Plan. Diesen Megatrend müsse man sich wie eine Endstation vorstellen, illustrierte er. Auf dem Weg dorthin lägen die Bahnhöfe „Fachkräftemangel“ und „Talente“.
Der Zukunftsforscher, der mit seinem Institut in Wien, Frankfurt (Main) und London sitzt, stellte die Bildung und permanente Weiterbildung in den Vordergrund seiner Ausführungen. Häufig gelte schon heute das Prinzip des permanenten Lernens. Dies werde sich in den kommenden Jahren weiter verstärken, erklärte Horx. Daher sei es enorm wichtig, die unterschiedlichen Talente der Menschen zu nutzen – und auch zu fördern. Jeder Bewerber, betonte Horx, habe ein Talent, das gefördert werden könne. Erst durch dieses Talent entstehe Leidenschaft für den Beruf. Und diese Passion nutze auch den Arbeitgebern.
Die Wünsche der Arbeitnehmer wandelten sich, so der Trendforscher, ebenfalls. Zwar wollten die Beschäftigten an erster Stelle nach wie vor Arbeitsplatzsicherheit. Gleichzeitig steige aber auch der Wunsch nach Flexibilität. „Diese Begriffe werden neu gemischt werden.“ Horx sprach von „Employability“. Angestellte würden künftig in vielen verschiedenen Unternehmen Erfahrungen sammeln und jeweils aus der jeweiligen Beschäftigung herauskommen. Dies mache sie fitter für kommende Arbeitsverhältnisse. Ein Vorteil auch für deren Arbeitgeber.
Und er nahm auch den Begriff der „Flexicurity“ auf, für den die Zeitarbeit wie keine andere Branche steht. Den Kritikern dieses Begriffes hielt er entgegen, Flexibilität und Sicherheit (Security) seien eben keine Widersprüche: „Wenn man Widerstandspaare auflöst, nennt man das Fortschritt.“ Das Idealbild sei, die Erwerbszeit nach den Bedürfnissen Familiengründung, Tatendrang, Immobilienerwerb zu flexibilisieren. Dann würden wir uns in der sogenannten „Rush Hour“ – mit Mitte 30 bis 40 – viele Burnouts ersparen.
So weit seien wir allerdings noch nicht – auch wenn der Wandel der Arbeitswelt weitergehe. Vor allem der Einfluss des makroökonomischen Trends „Globalisierung“ sei erheblich. Der aktuell angekündigte Streik des Kabinenpersonals ärgere ihn als Vielflieger zwar persönlich. Er sei aber durch die globale Entwicklung bedingt und daher verständlich. „Denn in Dubai oder der Türkei werden Flugbegleiter deutlich schlechter bezahlt.“ Und dieser weltweite Wettbewerb bleibe eben nicht ohne Folgen.
Ebenso werde sich die Unsitte unter Führungskräften, sogar am Wochenende 14 Stunden im Büro zu sitzen, nicht halten lassen. Dies sei eine Mentalität, die vor allem Frauen – wenn sie Kinder haben mögen – nicht mitmachen könnten und wollten.
Aber dieses „Sitzenbleiben“ werde für Karrieresprünge – anders als in der Vergangenheit – bald nicht mehr ausreichen. In Deutschland gelte diese lange Anwesenheit zwar immer noch in patriarchisch dominierten Vorstandsetagen als Ausgeburt von Fleiß. Horx nannte dies „das Problem“ und gab ihm den Namen „Männerbasierte Präsenzkultur“. Diese ändere sich jedoch. Und er prophezeite, dass die Frauenquote in Führungsetagen kommen werde.
Daher werde auch der soziokulturelle Megatrend „Frauen“ zunehmend den Arbeitsmarkt beeinflussen. Aus der vor 20 Jahren erreichten Bildungsparität zwischen den Geschlechtern habe sich gegenwärtig ein deutlicher Vorsprung für Frauen ergeben. Außerdem sei deren Erwerbsbeteiligung inzwischen auf fast 70 Prozent gestiegen. Noch seien es in Westdeutschland nur neun und in den neuen Bundesländern lediglich 16 Prozent der Frauen, die in einem gemeinsamen Haushalt mehr verdienten als ihr männlicher Partner. Die Entwicklung laufe jedoch derart rasant, dass 2050 die Frauen gleichziehen werden.
Die Zukunft gehöre, so der Trendforscher, „moderierten Netzwerken“ mit flachen Hierarchien. Bei ihrer Zusammensetzung müsste auf Individualität und Diversität geachtet werden. Denn erst viele verschiedene Menschen mit eigenen Ideen brächten ein Unternehmen voran.
Matthias Horx diskutierte unmittelbar nach seinem Vortrag mit den vom BAP geladenen Teilnehmern der Podiumsdiskussion die Frage, wie Unternehmen, Gesellschaft und Arbeitsmarkt vom Wirtschaftsfaktor Zeitarbeit profitieren könnten. Einen Bericht über diese Diskussion finden Sie hier.
Es folgen in diesem Jahr noch vier weitere regionale Events des BAP und der Kampagne „Die Zeitarbeit: Einstieg. Aufstieg. Wachstum.“ in Köln, Frankfurt (Main), Stuttgart und Hamburg. Ihren Auftakt hatte die Reihe bereits am 26. Juli in Nürnberg. Alle Veranstaltungen stehen unter dem Motto: „Wir haben keine Glaskugel. Wir haben Horx.“
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