30.11.2021 | "Das Verbot der Zeitarbeit in der Fleischwirtschaft sollte in seiner verfassungsrechtlichen Dimension nicht unterschätzt werden"

Vierte Ausgabe der Veranstaltungsreihe "ARBEIT & PERSONAL" kompakt widmet sich Zeitarbeit im Fokus der Rechtsprechung

Christiane Brose, Leiterin der BAP-Rechtsabteilung

Mit den jüngsten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes und ihren Folgen auch für die Personaldienstleistungsbranche stand ein brandaktuelles Thema im Fokus des Vortrags der Leiter der BAP-Rechtsabteilung, Christiane Brose und Alexander Schalimow, bei der vierten Ausgabe der digitalen Veranstaltungsreihe "ARBEIT & PERSONAL" kompakt des BAP. Diese stand unter dem Titel "Zeitarbeit im Fokus der Rechtsprechung". Mit Blick auf die vorerst bis zum 19. März 2022 gültige 3G-Regelung am Arbeitsplatz als Zugangsvoraussetzung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betonte Brose, dass die "Beschäftigten eigenmächtig dafür Sorge zu tragen haben, dass sie gültige 3G-Nachweise vorlegen können. Für den Arbeitgeber besteht hingegen die Kontrollpflicht, ob eine der 3G-Voraussetzungen erfüllt ist. Wenn die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter seinen 3G-Status nicht preisgeben will oder nachweisen kann und die Arbeitsleistung nicht erbringt, besteht kein Vergütungsanspruch." Brose erläuterte zudem, dass für die Kontroll- und Dokumentationspflichten grundsätzlich der jeweilige Einsatzbetrieb der Zeitarbeitskraft zuständig sei. Dennoch sollten sich Zeitarbeitsunternehmen vergewissern, dass die Nachweiskontrollen vom Kundenbetrieb durchgeführt werden. Zudem hätten die Zeitarbeitsunternehmen eine Kontroll- und Dokumentationspflichten für das interne Personal sowie beim Betreten einer Niederlassung oder Geschäftsstelle durch Zeitarbeitskräfte.  

BAG urteilt im Januar 2022 zur Höchstüberlassungsdauer nach dem TV LeiZ

Alexander Schalimow, Leiter der BAP-Rechtsabteilung

Einen umfassenden Überblick über zeitarbeitsrelevante Rechtsprechung bot anschließend Alexander Schalimow, wobei er den Blick zunächst auf eine abweichende Höchstüberlassungsdauer nach dem Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit (TV LeiZ) richtete. Im letzten Jahr habe es hier diametrale Urteile von zwei unterschiedlichen Kammern des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg zu der Frage gegeben, welchen Rechtscharakter die Regelungen im TV LeiZ zu einer längeren Höchstüberlassungsdauer haben und ob auf dieser Grundlage von der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer abgewichen werden kann. Hierzu werde das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun am 26. Januar 2022 entscheiden. Zudem analysierte Schalimow ein Urteil des BAG vom 16. Dezember 2020, das erhebliche Konsequenzen für die Arbeitsvertragsgestaltung habe. In dem Verfahren wurden rückwirkend Equal-Pay Ansprüche gegenüber dem Zeitarbeitsunternehmen geltend gemacht. "Das BAG hat entschieden, dass in den Arbeitsverträgen keine von den Tarifbestimmungen abweichenden Regelungen getroffen werden dürfen, die nicht ausschließlich zugunsten der Zeitarbeitskraft wirken", erläuterte der BAP-Rechtsexperte. Hingegen führten arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die zum Nachteil der Arbeitnehmerin oder des Arbeitsnehmers von den tariflichen Regelungen abweichen, dazu, dass der Tarifvertrag nicht vollständig in Bezug genommen wurde und der Gleichstellungsgrundsatz auch rückwirkend gelte. Als Konsequenz aus dem BAG-Urteil habe der BAP neue Musterarbeitsverträge für seine Mitglieder erstellt, informierte Schalimow.

Gute Aussichten für Verfahren zum Verbot der Zeitarbeit in der Fleischwirtschaft vor dem BVG

Prof. Dr. Gregor Thüsing LL.M.

"Das Verbot der Zeitarbeit für bestimmte Bereich in der Fleischwirtschaft sollte in seiner verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Dimension nicht unterschätzt werden", betonte Prof. Dr. Gregor Thüsing in seinem anschließenden Beitrag, denn "aus meiner Sicht sind diese Bestimmungen des Arbeitsschutzkontrollgesetzes insbesondere mit der Berufsfreiheit des Grundgesetzes nicht vereinbar und somit verfassungswidrig. Auch ein Verstoß gegen die Leiharbeitsrichtlinie steht im Raum". Der Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hatte im Mai 2021 als Prozessbevollmächtigter für mehrere Zeitarbeitsunternehmen Verfassungsbeschwerde gegen das Überlassungs- und Einsatzverbot von Zeitarbeitskräften in Betrieben der Fleischwirtschaft eingelegt. "Gut gemeint heißt nicht gut gemacht. Hier wurden die Grenzen der Berufsausübungsfreiheit überschritten, deshalb bin ich zuversichtlich, dass das Bundesverfassungsgericht in Richtung der Politik deutlich machen wird, dass ‚ihr es so nicht machen könnt", machte Thüsing deutlich. Thüsing ging zudem auf ein Verfahren ein, das im Dezember 2020 vom BAG an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiterverwiesen wurde. Hierbei gehe es um die Klärung der Frage, ob durch die deutschen Regelungen zum Equal Pay der Gesamtschutz der Zeitarbeitskräfte im Sinne der Zeitarbeitsrichtlinie gewahrt bleibe. Eine Entscheidung des EuGH werde im Laufe des kommenden Jahres erwartet.

Koalitionsvertrag hebt wichtige Rolle der Zeitarbeit hervor

BAP-Präsident Sebastian Lazay

Eröffnet wurde die letzte Ausgabe der "ARBEIT & PERSONAL" kompakt in diesem Jahr mit einem Grußwort von Sebastian Lazay, in welchem der BAP-Präsident den Koalitionsvertrag der "Ampel" aus Sicht der Personaldienstleister analysierte. Zu begrüßen sei dabei das grundsätzliche Bekenntnis, dass "die Arbeitnehmerüberlassung als 'notwendiges Instrument' definiert und somit ihre wichtige Rolle hervorgehoben wird. Diese Aussage ist angesichts der politischen Farbenlehre der künftigen Bundesregierung ein Erfolg". Positiv sei auch, dass der Vertrag entgegen den Bundestagswahlprogrammen von SPD und Grünen kein Equal Pay ab dem ersten Einsatztag vorsehe. Zudem könnten sich durch die Ampelkoalition beim Thema Fachkräftezuwanderung und Digitalisierung neue Spielräume für die Branche ergeben. Lazay machte aber auch deutlich, dass mit der gesetzlichen Evaluierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) und aufgrund von EU-Rechtsprechung zwei Punkte definiert worden seien, die zu einer Überprüfung und möglicherweise auch zu einer Änderung des Rechtsrahmens für die Zeitarbeit führen könnten. Hieran werde sich "der BAP konstruktiv beteiligen und massiv für die Personaldienstleister einsetzen", kündigte Lazay an.

Den Abschluss dieser "ARBEIT & PERSONAL" kompakt bildete eine von der Leiterin der BAP-Kommunikationsabteilung, Doris Bergmann, moderierte Fragerunde, bei der zahlreiche Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Chat von der Expertin und Experten beantwortet wurden. Besonders reges Interesse bestand dabei erwartungsgemäß an weiteren Informationen zur konkreten Umsetzung der 3G-Regelung am Arbeitsplatz und zur geänderten Arbeitsvertragsgestaltung.

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