Der demografische Wandel schlägt zu. Das wird für viele Unternehmen zum Problem und lässt sie, auf der Suche nach Lösungen, den Blick auf "altbewährtes" richten.
Ein Gastbeitrag von Jakob Hafele und Hannah Strobel.
"Ob EDV-Schulungen, flexible Arbeitszeiten oder Tischtennisplatten am Arbeitsplatz - junge Nachwuchskräfte im Unternehmen werden umgarnt und ihre Bedürfnisse ernst genommen. Unternehmen brauchen neue Fachkräfte. Doch was ist mit der langjährigen und älteren Belegschaft? Über diese Generation heißt es, sie können mit dem schnellen Wandel der Arbeitswelt nicht umgehen. Digitales sei ihnen fremd und ihre Belastungsgrenze sinke. Doch angesichts des demographischen Wandels werden bis 2024 40 Prozent der Erwerbstätigen über 50 Jahre alt sein. Junge Fachkräfte fehlen. Desto wichtiger wird es für Unternehmen, erfahrene Mitarbeitende zu fördern, an sich zu binden und neue Potentiale in ihnen zu entdecken.
Trotz dieser Notwendigkeit erleben wir immer wieder Unternehmen, in denen Dienst nach Vorschrift und innere Kündigungen zunehmen. Das spiegelt sich in der Gallup-Statistik wider: Nur 15 Prozent der Mitarbeitenden sind mit Hand, Herz und Verstand bei der Arbeit, was sich in Stress der Angestellten und zunehmenden Krankheitstagen äußert. Diese Unzufriedenheit am Arbeitsplatz bedeutet geringe Produktivität und hat ebenfalls Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen. In einer Situation mit akutem Fachkräftemangel ist das fatal. Doch wie können Unternehmen einen Rahmen schaffen, in dem ihre langjährigen Mitarbeitenden sich entfalten können, in dem sie gesund bleiben und gern zur Arbeit kommen?
Unsere Erfahrung zeigt, dass es zentral ist, den Menschen Anerkennung und Wertschätzung entgegen zu bringen. Werden Arbeitnehmer strukturell zu sehr eingeengt, können sie sich ebenso wenig entfalten wie in diffusen Organisationsstrukturen ohne klare Verantwortlichkeiten. Dabei zählt es, Aufgaben und Entscheidungsbereiche kompetenzbasiert zu gestalten. Ein unwissender Chef, der seine Mitarbeitenden unnötig in den Entscheidungen einschränkt, demotiviert sie nicht nur – er schadet auch dem Unternehmen. Mehr Mut zur Selbstorganisation der Mitarbeiter ist gefragt – in einem klaren Rahmen, mit klar abgesteckten Verantwortlichkeiten und Regeln.
Hier kann beispielsweise das SCARF Modell von David Rock helfen, konkret zu identifizieren, woran die Potentialentfaltung scheitert. Aufbauend auf neurowissenschaftlicher Forschung zeigt das Modell, dass Menschen dann lernen und sich entfalten können, wenn ihre Grundbedürfnisse erfüllt sind. Diese lassen sich in fünf Gruppen zusammenfassen: Status, Sicherheit, Autonomie, Beziehungen, Fairness. Sind die Bedürfnisse in diesen Gruppen bedroht, wechseln Mitarbeitende in den „fight or flight“-Modus. In diesem Zustand sind sie nicht mehr in der Lage kooperativ zu arbeiten, geschweige denn zu lernen. Bedrohungen dieser Art sind vielfältig: Statusherabsetzung eines älteren zugunsten eines jüngeren Angestellten, geringer Entscheidungsspielraum oder keine Wertschätzung von den Führungskräften. Die Arbeitsmotivation sinkt bei jeder dieser Faktoren.
Eine wertschätzende Unternehmenskultur adressiert diese Grundbedürfnisse und macht das Aufblühen langjähriger Mitarbeiter möglich. Dazu gehören Mitgefühl für berufliche und private Situationen, Transparenz im Umgang der Leistungsbewertung sowie eine gesunde Balance zwischen Autonomie und Feedback. Grundsätzlich gilt es anzuerkennen, was Mitarbeitende für das Unternehmen leisten, sowohl Junge als auch Langjährige.
Denn mit einem können selbst hervorragend ausgebildete Nachwuchskräfte nicht dienen: Erfahrung. Diese ist in Zeiten des demographischen Wandels von unschätzbarem Wert für den nachhaltigen Erfolg ihres Unternehmens."
Die Autoren arbeiten beim Bonner Think & Do Tank ZOE für zukunftsfähige Ökonomien, dessen Consulting-Ansatz ist es, dass Organisationen und Unternehmen Nachhaltigkeit umsetzen und attraktiver für Nachwuchskräfte werden. In seiner ZOE Akademie bietet das Institut auch Fortbildungen an.
Hilfreiche Informationen dazu, wie Arbeitnehmer der Generation 50+ bestmöglich in die digitale Arbeitswelt integriert werden können und wie sie Unternehmen gezielt ansprechen sollten, finden Sie zudem im Interview mit Generationenforscher Helmut Muthers in der Ausgabe 03/19 des Branchenmagazins "Personaldienstleister". Muthers war auch Redner auf dem Thementag Personalvermittlung 2019 des BAP-Verbandsbereichs Personalvermittlung (VBPV).
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