25.11.2020 | "Es gibt nichts Schlimmeres, als dass die Beschäftigten sich ständig darüber ärgern müssen, dass die Technik nicht funktioniert"

Dr. Colin Roth / ©BlackBox/Open
Dr. Colin Roth / ©BlackBox/Open

In Folge der Corona-Krise hat sich die Digitalisierung der Arbeitswelt rasant beschleunigt. Es befinden sich nicht nur zahlreiche Arbeitnehmer im Homeoffice, sondern nahezu alle Arbeitgeber mussten in kürzester Zeit ihre Prozesse umstellen, um ein reibungsloses Arbeiten auch in Pandemie-Zeiten zu gewährleisten. Im Interview mit Personaldienstleister analysiert Experte Dr. Colin Roth, wie der optimale digitale Arbeitsplatz aussieht und welche Kompetenzen Beschäftigte mitbringen müssen, um die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt optimal zu bewältigen.  

Personaldienstleister: Nicht zuletzt hat die Corona-Pandemie die Arbeitswelt rasant verändert. Welches sind die wichtigsten Kompetenzen, um in der Arbeitswelt von heute erfolgreich zu sein?

Dr. Roth: Der Mensch braucht in der heutigen Arbeitswelt eine ganze Bandbreite von Kompetenzen. Eine wesentliche Basisfähigkeit ist Resilienz, also die Fähigkeit, sich von Rückschlägen zu erholen. Resilienz hilft, um berufliche Krisen zu bewältigen und trotz schwieriger Herausforderungen den Blick für das Wesentliche nicht zu verlieren. Sie ist eine wichtige Komponente für jeden Beschäftigten in der modernen Arbeitswelt, in der man sich als Mitarbeiter zunehmend selbst organisieren muss. Eine zweite zentrale Fähigkeit ist Jobcrafting, also das aktive und individuelle Gestalten der eigenen Arbeit. Immer mehr Beschäftigte üben ihre Arbeit nicht mehr im Büro aus und haben dementsprechend auch keine Führungskraft mehr hinter sich stehen, die ihnen sagt, was sie zu tun haben. Stattdessen müssen sich die Mitarbeiter viel mehr selbst organisieren und es wird von ihnen verlangt, sich selbst zu organisieren, zu steuern und durchaus auch die auftretenden Motivationslöcher zu stopfen. Kritisches Denken ist die dritte Komponente für erfolgreiches Agieren in der heutigen Arbeitswelt. Den Menschen wird im Arbeitskontext abverlangt mitzudenken, Fehler früh zu erkennen und zu korrigieren, die richtigen Entscheidungen zu treffen und mit all dem auch offen umzugehen. Dabei ist es erforderlich, Fehler nicht durchlaufen zu lassen, sondern kritisch zu reflektieren.

Personaldienstleister: Welcher Persönlichkeitstyp ist am besten geeignet, um die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt bewältigen zu können?

Dr. Roth: Der moderne Mensch braucht in seinem Arbeitskontext ein hinreichendes Maß an Gewissenhaftigkeit, um mit den Fragen und Herausforderungen bei seiner Arbeit verantwortungsbewusst umzugehen. Extraversion ist nicht in jedem Job wichtig, aber es ist schon oftmals elementar, sich auszutauschen und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Eine wichtige Größe ist außerdem die Offenheit für neue Erfahrungen mit Blick über den eigenen Tellerrand bei der Arbeit hinaus, um sich durch das Verlassen des eigentlichen Arbeitskontextes inspirieren zu lassen. Eine wichtige Persönlichkeitsfacette ist schließlich Verträglichkeit, denn ohne sie funktioniert die Zusammenarbeit mit anderen Menschen schlichtweg nicht. Wer all diese Persönlichkeitsmerkmale in einem guten Maß aufbringt oder daran arbeitet, sie zu entwickeln, ist für die moderne Arbeitswelt gut gerüstet.   

Personaldienstleister: Welche zentralen Aspekte muss ein Arbeitgeber beachten, um seinen Beschäftigten einen optimalen digitalen Arbeitsplatz zu bieten?

Dr. Roth: Der Begriff „digitaler Arbeitsplatz“ drückt bereits aus, dass es ohne moderne leistungsfähige Technik nicht geht. Der Mitarbeiter muss die Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen, um an verschiedenen Standorten arbeiten zu können. Es gibt nichts Schlimmeres, als dass die Beschäftigten sich ständig darüber ärgern müssen, dass die Hardware oder Software nicht funktioniert. Aber auch die Führung in den Unternehmen muss sich ändern und Führungskräfte viel mehr als bisher zu Dienstleistern werden. Sie sollen ihre Mitarbeiter unterstützen und die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass der Mensch seine Arbeit im digitalen Zeitalter vernünftig machen kann. Die Unternehmen müssen zudem dafür sorgen, dass die Mitarbeiter sich weiterentwickeln können und ihnen hierfür die notwendigen Freiräume anbieten, denn hierdurch werden Innovationen massiv gefördert.

Zur Person:

Dr. Colin Roth hat nach einem Studium der Sozialwissenschaften im Fach Wirtschaftspsychologie promoviert. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Psychologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie Lehrbeauftragter an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der University of Central Florida. Roth ist Mitgründer und Geschäftsführender Gesellschafter der BlockBox/Open GmbH & Co. KG, einem Beratungsunternehmen mit den Schwerpunkten Organisationsentwicklung, Weiterbildung sowie Employer Branding.

Das Interview wurde zuerst in Ausgabe 2/2020 des Branchenmagazins "Personaldienstleister" veröffentlicht. Sowohl die aktuelle als auch ältere Ausgaben des Magazins können Sie kostenfrei im BAP-Onlineshop bestellen oder herunterladen.

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