
Dem Thema Arbeit wolle er sich durch Einkreisen nähern, sagte Matthias Horx zu Beginn seiner mit Spannung erwarteten Präsentation im Feuerbachsaal der IHK Nürnberg. Denn die Entwicklung der Beschäftigung könne man nicht isoliert betrachten. Sie sei integriert in größere Trends, die auch die Zeitarbeit beeinflussten. Der Zukunftsforscher sprach zum Auftakt der sechs BAP-Regionalveranstaltungen am 26. Juli zunächst in Franken.
Der BAP-Regionalsprecher Süd-Ost, Stephan Giesbert, der auch Geschäftsführer der Fürst Personaldienstleistungen GmbH ist, hatte die 150 Gäste an diesem heißen Sommerabend in dem klimatisierten Raum begrüßt. Es folgen noch fünf weitere solcher regionalen Events des BAP und der Kampagne „Die Zeitarbeit: Einstieg. Aufstieg. Wachstum.“ in anderen Städten, die ebenfalls unter dem Motto stehen: „Wir haben keine Glaskugel. Wir haben Horx.“
Soziokulturelle Megatrends: Individualisierung, Frauen und (Down-)Aging
Und der so angepriesene Zukunftsforscher enttäuschte die Zuhörer in der fränkischen Metropole nicht. Er bettete die Perspektiven der Arbeit in drei sogenannte „soziokulturelle Megatrends“ ein: Individualisierung, Frauen und (Down-)Aging. Die Entwicklungen in diesen Bereichen müsse man kennen, um die Beschäftigungsformen der Zukunft einschätzen zu können.
So wurde die um 1900 vorherrschende „Dominanz der Großfamilie“ 60 Jahre später durch die „Ära der Kleinfamilie“ abgelöst – bis heute schließlich die Singles dominierten. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts hätten auch deshalb so viele Menschen unter einem Dach gewohnt, weil die abhängig Beschäftigen auf dem Lande meist bei ihren Arbeitgebern einquartiert waren: „Das waren prekäre Beschäftigungsverhältnisse, die auf Kost und Logis aufgebaut waren“, fasste der 57-Jährige zusammen.
Auch der Megatrend „Frauen“ beeinflusse den Arbeitsmarkt. Die 1991 erreichte Bildungsparität zwischen den Geschlechtern sei einem deutlichen Vorsprung für Frauen 2010 gewichen. Dies könne er auch in der eigenen Familie nachvollziehen. Seine beiden Söhne erhielten nicht so gute Zensuren wie die Mädchen in der Schule.
Bei der Erwerbsbeteiligung seien, so Matthias Horx, ebenfalls die Frauen auf dem Vormarsch. Die Quote nähere sich rasant an: in Deutschland von einst unter 50 auf fast 70 Prozent. Schon heute verfügten und bestimmten Frauen in Deutschland über 72 Prozent des Haushaltseinkommens. Ein höheres Fraueneinkommen erhöhe auch die Konsumnachfrage.
Für die Beschäftigung sei auch das sogenannte (Down-)Aging sehr wichtig. Nach dem selbst definierten Wohlergehen gehe es den Menschen heute mit Mitte 30 am schlechtesten: „Dann stehen Ausbau der Karriere, Gründen einer Familie und vielleicht der Kauf einer Immobilie an. Das stresst die Menschen“, sagte der Trendforscher. Das Wohlergehen steige danach kontinuierlich an, bis es mit 83 den absoluten Höhepunkt erreicht und sogar das naive Glücklichsein der 18-Jährigen übertreffe: Stress, Sorge, Ärger gingen mit zunehmenden Lebensalter zurück. Es kehrten Gelassenheit und Weisheit ein. Horx zitierte in diesem Zusammenhang zur Freude der Zuhörer den Publizisten Richard Needham: „Wenn Du älter wirst, verlierst Du das Interesse an Sex, Deine Freunde sterben, Deine Kinder ignorieren Dich. Es gibt natürlich noch andere Vorteile, aber die genannten sind doch die größten.“
Makroökonomische Megatrends: Globalisierung und die Konnektivität
Zu diesen drei Entwicklungen gehörten zwei weitere sogenannte makroökonomische Megatrends, nämlich die Globalisierung und die Konnektivität: Auf dem Planeten leben inzwischen zwei Milliarden neue Kunden. Der Globus wandele sich vom westlich-dominanten System Europas und der USA zur multipolaren Weltordnung mit Indien, China aber auch Südamerika und sogar Afrika. Auch die Löhne bewegten sich aufeinander zu. „Allein in den vergangenen zwei Jahren erhöhten sich die Gehälter in China um den Faktor vier“, sagte Horx.
Auf all diese Einflüsse müsse die Arbeitswelt reagieren, prophezeite der 57-Jährige. Daher sollte auch der von Erich D. Beinhocker beschriebene Widerspruch zwischen exponentiell steigenden Möglichkeitsgraden und abnehmenden Freiheitsgraden beim Wachstum eines Unternehmens aufgelöst werden.
Horx schließt daraus: „Deshalb muss jede erfolgreiche Organisation in Zukunft klein und groß gleichzeitig sein können.“ Dies funktioniere durch flachere Hierarchien. Traditionelle Organisationen von Firmen mit vielen Festangestellten werden sich auf einen Hot-Company-Core reduzieren – mit vielen outgesourcten Partnern. Die Zukunft gehöre „moderierten Netzwerken“. Bei ihrer Zusammensetzung müsste auf Individualität und Diversität geachtet werden. Denn erst viele verschiedene Menschen mit eigenen Ideen brächten ein Unternehmen voran. Horx zitierte hier Ivan Seidenberg: „Wenn alle Personen in einem Raum gleich sind, gibt es weniger Argumente und eine Menge schlechterer Antworten.“
Flexibilität und Sicherheit
Dieser Wandel sei auch durch „Flexicurity“ bestätigt worden. Sie habe bewiesen, dass Flexibilität und Sicherheit (Security) sich eben doch nicht ausschlössen. Daher sei die „aufwärtskompatible“ Zeitarbeit erfolgversprechend. Horx bezog dabei ausdrücklich die Weiterbildungsoffensiven vieler Unternehmen der Branche mit ein.
Jeder, betonte Horx, habe ein Talent, das gefördert werden könne. Erst durch dieses Talent entstehe Leidenschaft für den Beruf. Gleichzeitig sieht Horx eine „professionelle Entkoppelung des Berufs-Weges von der Karriere-Planung“. Die künftigen Berufsphasen der Menschen seien gekoppelt durch Lernen und Bildung.
Darüber hinaus sieht der Zukunftsforscher eine „Metabildung“ auf die Arbeitswelt zukommen. Dazu gehörten Selbstkompetenz, Kreativität, sowohl Team- als auch Kritikfähigkeit und emotionale Intelligenz. Sogenannte Co-Working-Spaces, wie es sie bereits in Berlin oder Salzburg gebe, werden weiter an Bedeutung gewinnen, ist sich der Trendforscher sicher. Menschen mit unterschiedlicher Profession arbeiten dort zusammen, um von der Kompetenz des jeweils anderen zu profitieren.
Im Anschluss an die Präsentation diskutierte Horx seine Thesen mit den vom BAP geladenen Teilnehmern der Podiumsdiskussion.
Einen Videomitschnitt der zentralen Thesen von Matthias Horx finden Sie hier.
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