03.09.2020 | "Das Problem sind die Kontrolldefizite und dagegen hilft das schärfste Gesetz nicht!"

BAP-Geschäftsführer Florian Swyter
BAP-Geschäftsführer Florian Swyter | © BAP

Er habe nicht nur europa- und verfassungsrechtliche Bedenken, sondern halte das geplante Arbeitsschutzkontrollgesetz der Bundesregierung für einen reinen Vorwand, um die Zeitarbeit in der Fleischindustrie zu verbieten, machte BAP-Hauptgeschäftsführer Florian Swyter beim Pressegespräch "Thüringer Kulturgut gefährdet – Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischindustrie" der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen deutlich. Die ausführliche Nachberichterstattung von den anwesenden Medien wie MDR, Thüringer Allgemeine und Freies Wort zeigt, dass das Thema einen Nerv trifft.

Das Gesetz sieht ein grundsätzliches Verbot der Zeitarbeit in der Fleischindustrie ab dem 1. April 2021 in allen Betrieben mit mehr als 49 Mitarbeitern vor. "Obgleich die Zeitarbeitsbranche in keiner Weise auffällig wurde, kommt sie jetzt zu Unrecht unter die Räder", warnte Swyter. Zudem sei die Zeitarbeit eine der reguliertesten Branchen in Deutschland und werde regelmäßig durch die Aufsichtsbehörden kontrolliert. Das Vorhaben sei daher vollkommen untauglich, um die gesetzgeberischen Ziele einer Arbeitsschutzverbesserung der Beschäftigten oder Verhinderung von Ausbeutung zu erreichen. "Das Problem sind die Kontrolldefizite und dagegen hilft das schärfste Gesetz nicht!"

Gesetz setzt Zeitarbeit und Werkverträge trotz erheblicher Unterschiede gleich

Das Gesetz sei auch deswegen nicht zielführend, da es Werkverträge und Zeitarbeit gleichsetze, obwohl es wesentliche Unterschiede bei diesen beiden Beschäftigungsformen gäbe. Im Gegensatz zu Werkverträgen gelten für Zeitarbeitskräfte die gleichen Arbeits- und Gesundheitsvorschriften wie für jeden Stammbeschäftigten auch. Sie sind in den Kundenbetrieben in die Betriebsstruktur eingebunden und es gelten Mindestlohnstandards bzw. werden sie nach Tarif entlohnt. Das Kundenunternehmen ist zudem für die praktische Durchführung und Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften verantwortlich. "Und das gilt gleichermaßen für die Pandemie-Situation: Das Virus macht keinen Unterschied zwischen Stammmitarbeitern und Fremdpersonal. Daher ist nicht einzusehen, weswegen ausgerechnet die Zeitarbeit hier verboten werden soll."

Einschränkung des Anwendungsbereichs statt Totalverbot

Das Gesetzesvorhaben bedeute zugleich einen wirtschaftspolitischen Rückschritt, betonte Swyter, denn ein Verbot von Zeitarbeit hätte nicht nur negative Folgen für die Zeitarbeitsbranche, sondern auch für die Zeitarbeitnehmer und die Kundenbetriebe. Zudem könne dieses Vorhaben als Blaupause für weitere Branchenregulierungen dienen: "Missstände schnell zu beheben klingt zunächst gut. Ich hoffe jedoch auf die Einsicht des Gesetzgebers, dass nicht alles, was gut ankommt, auch tauglich ist." Statt eines sofortigen Totalverbots der Zeitarbeit sollten mildere Mittel zur Verbesserung der Arbeitsschutzsicherheit genutzt werden, wie beispielsweise die Aufstockung der Ressourcen bei den Arbeitsschutzkontrollen. Ebenso sollte beim Anwendungsbereich des Gesetzes nachgebessert werden: "Die Corona-Infektionen und unzureichenden Arbeits- und Unterkunftsbedingungen sind hauptsächlich bei Werkvertragsarbeitern in großen Schlacht- und Zerlegungsbetrieben aufgefallen, jedoch nicht in der Fleischverarbeitung, wo kaum Werkvertragsarbeiter beschäftigt sind, dafür aber Zeitarbeitskräfte."

Ohne Zeitarbeit keine flexible Abfederung saisonaler Auftragsspitzen

Der Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen, Ralf Pieterwas, bekräftigte seine Ablehnung des geplanten Gesetzentwurfs. Wenn das Verbot der Zeitarbeit in der Fleischindustrie tatsächlich käme, würde den zahlreichen mittelständischen Firmen der Branche in Thüringen die Möglichkeit genommen, auf saisonale Auftragsspitzen flexibel reagieren zu können.

Dass es keinerlei Anlass für einen derartig weitreichenden Eingriff des Gesetzgebers gäbe, betonte Kerstin Ziemer, Abteilungsleiterin des Thüringer Landesamtes für Verbraucherschutz. Es habe bei sämtlichen Kontrollen des Amtes keine Verstöße gegen Arbeits- oder Gesundheitsschutzrichtlinien in der Fleischindustrie gegeben und die Unternehmen würden einen verantwortungsvollen Umgang mit der Belegschaft pflegen.  

Die von Florian Swyter geäußerten Bedenken hinsichtlich der verfassungs- und europarechtlichen Rechtmäßigkeit des Entwurfs des Arbeitsschutzkontrollgesetzes teilte der FDP-Bundestagsabgeordnete Gerald Ulrich MdB. Seine Partei werde sich dafür einsetzen, dass das Gesetz in dieser Form nicht beschlossen wird, so der Politiker.

Verbot der Zeitarbeit bedroht mittelständische Fleischindustrie in ihrer Existenz

"Das Gesetz ist politischer Aktionismus. Es diskriminiert ungerechtfertigt eine gesamte Branche, obwohl es erhebliche Unterschiede zwischen Großkonzernen und mittelständischen Betrieben gibt", waren sich die beiden Unternehmer Kevin Holland-Moritz, Geschäftsführer der Fleisch- und Wurstwaren Schmalkalden GmbH, und Marcel Retsch, Geschäftsführer der Meininger Wurstspezialitäten GmbH, einig. Sie wären direkt von den negativen Auswirkungen eines Verbots der Zeitarbeit in der Fleischindustrie betroffen. Ohne Zeitarbeitskräfte die Auftragsspitzen während der Grillsaison im Frühjahr und Sommer nicht mehr bewältigt werden, die einen wesentlichen Beitrag zum Jahresumsatz leisten. Ein Verbot der Zeitarbeit in der Branche würde letztendlich die Existenz der beiden mittelständischen Unternehmen gefährden.

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