
Der demographische Wandel rückt nicht nur das Thema Fachkräftemangel in den Fokus. Auch ältere Arbeitnehmer werden für mehr und mehr Unternehmen zu Schlüsselfaktoren im betrieblichen Alltag, etwa als Projektspezialisten oder Experten mit viel Erfahrung. Um gut für die Zukunft gerüstet zu sein, müssen bisherige Alters- und Rollenbilder überdacht und umgeformt werden – zum Beispiel auch im Bereich Lernen und Qualifizierung. Christian Werner beschäftigt sich als Vorstandsmitglied beim bundesweiten Demographie Netzwerk e. V. (ddn) intensiv mit der Thematik. Im BAP-Serieninterview „Drei Fragen an…“ beantwortet er die wichtigsten Fragen.
Herr Werner, das Thema demographischer Wandel stellt die deutsche Wirtschaft vor massive Herausforderungen. Es bringt Probleme mit sich – zum Beispiel den Fachkräftemangel. Es birgt jedoch auch Chancen wie die des lebenslangen Lernens. Was genau ist damit gemeint?
Aus Sicht des ddn ist die zentrale Antwort auf die demographische Herausforderung das Lernen - ein Leben lang. Das eröffnet nicht nur neue Perspektiven, sondern kann und soll auch Freude bereiten. Unser Wohlstand mit einem größeren Anteil an älteren Menschen in Deutschland wäre in den nächsten Jahrzehnten nur dann bedroht, wenn wir alles so weiterlaufen lassen wie gehabt. Statt ältere Beschäftige von Weiterbildung abzuschneiden, gilt es, sie als Leistungs- und Kompetenzträger generationsübergreifend neu zu entdecken. Ob strukturierter Wissenstransfer zwischen Alt und Jung, professionelles Mentoring oder der Aufbau eines Pools aus Seniorexperten, die bis zur Rente im Unternehmen beschäftigt waren – die Palette der Möglichkeiten ist groß. Erfolgreiche Beispiele aus der Praxis zeigen wir in unserem neuen ddn-Fachbuch 'Lust am Lernen – ein Leben lang' auf. Es ermuntert dazu, das bisherige Altersbild in deutschen Unternehmen auf den Prüfstand zu stellen. Weg vom Defizitmodell, hin zum Kompetenzmodell lautet unser Motto, damit die spezifischen Stärken älterer Beschäftigter erkannt und bis zum Renteneintritt eingebracht und gefördert werden.
Gerade die Zeitarbeit bietet Älteren sowie nicht oder geringer Qualifizierten die Mög-lichkeit, durch konkretes 'Learning by Doing' im Betrieb ihre Qualifikationen zu verbessern. Wie könnte die Branche für eine noch bessere Dokumentation dieser Form der informellen Qualifizierung sorgen?
In der Tat verbessern Zeitarbeitnehmer ihre Qualifikationen oft ganz praktisch im Betrieb, indem sie mitarbeiten, an gestellten Aufgaben wachsen und Erlerntes dann in späteren Einsätzen anwenden können. Neudeutsch bezeichnet man dies als 'Training on the Job', was selbstverständlich dann auch insgesamt die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert – Stichwort Beschäftigungsfähigkeit. Es hapert aber tatsächlich noch daran, dass erlernte Qualifikationen oder Trainings oft gar nicht dokumentiert werden, der Kompetenzzuwachs der Zeitarbeitnehmer also nicht nachprüfbar nachvollzogen werden kann. In der Zeitarbeitsbranche gibt es schon in einigen Unternehmen sehr gute Ansätze. Es werden erfolgreiche Lösungen angeboten. Es wäre aber schön, wenn sich hier auch branchenübergreifend ein Modell finden lassen würde. Ganz entscheidend für den Erfolg eines solchen Systems ist es meiner Meinung nach auch, dass mit angesehenen externen Institutionen zusammengearbeitet wird – dass sie es zum Beispiel sind, die erlernte Fähigkeiten zertifizieren und so auch offiziell und transparent sichtbar machen.
Es wird mehr ältere und gut qualifizierte Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt der Zu-kunft geben, für Unternehmen werden sie angesichts des demographischen Wandels immer relevanter. Wie können Personaldienstleister diesen Trend effektiv nutzen – auch in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit ihren Kunden?
Viele Unternehmen in Deutschland haben die Stärken älterer Beschäftigter und altersgemischter Teams inzwischen erkannt. Die Erfahrung, die gewachsene kommunikative Kompetenz und die Gewissenhaftigkeit der älteren Beschäftigten gewinnen an Bedeutung. Man kann hier sogar von einem Trend sprechen. Denn aktuell bildet sich ein regelrechter Dienstleistungssektor heraus, der sich auf die Vermittlung von älteren Arbeitnehmern in die Unternehmen hinein konzentriert. Meistens handelt es sich dabei um Seniorexperten, die aus dem Ruhestand heraus als Führungskräfte, Projektspezialisten oder 'Trouble Shooter' reaktiviert werden. Davon profitieren auch die jungen Generationen im Unternehmen. Am Anfang dieser Entwicklung beschränkte sich dieser Dienstleistungssektor auf reines Interimsmanagement. Die Zeiten sind aber vorbei, und genau hier sehe ich auch eine große Chance für Personaldienstleister, am Puls der Zeit zu sein. Sie könnten sich ebenfalls in diesem Segment gut aufstellen und gezielt ältere, gut qualifizierte Zeitarbeitnehmer für projektbezogenes Arbeiten vermitteln, bei dem es eben nicht nur auf reines Know-how, sondern auch auf Erfahrung ankommt. Ein immer größer werdender Bedarf der Unternehmen würde auf diese Weise passgenau bedient. Darüber hinaus hätte das Ganze noch einen Mehrwert. Denn die eben beschriebenen Entwicklungen hin zum älteren Arbeitnehmer signalisieren einen klaren Wertewandel. Personaldienstleister würden durch die Etablierung in diesem Segment also nicht nur zeigen, dass sie diese Entwicklung voll mittragen. Sie könnten sich als die Experten in Sachen Personal, die sie nun einmal sind, auch gezielt an die Spitze dieses Wertewandels stellen.
Über den BAP:
Der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) ist die führende Interessenvertretung der Zeitarbeitsbranche in Deutschland. Im BAP sind ca. 2.000 Mitglieder mit über 4.800 Personaldienst-leistungsbetrieben organisiert. Informationen zum Verband finden Sie unter www.personaldienstleister.de.
Erstellt: Uhr